FOTO: © Diego Castro

WRITING IDENTITIES – when gender blurs in a poem my world sets a tooth in the gear

Das sagt der/die Veranstalter:in:

Kuppelhalle

Writing Identities stellt vier Dichter:innen aus unterschiedlichen Ländern ins Zentrum, die aus klassischen Geschlechterrollen ausbrechen und dafür eine innovative Sprache finden. Mit großer Imaginationskraft schaffen sie neue Ausdrucksmöglichkeiten für marginalisierte Perspektiven und Erfahrungen und hinterfragen gewohnte Muster, Zuschreibungen, Repräsentations- und Inszenierungsweisen, Wahrnehmung und Deutungsmacht.

CAConrads (geboren 1966 in Topeka Kansas) dichterisches Werk, darunter so berühmte Bücher wie „While Standing in Line for Death“ oder „Amanda Paradise“ (Wave Books 2017 bzw. 2021), ist geprägt von einer rituellen Schreibpraxis, die sich (soma)tic nennt. Es entsteht eine Poesie, die, in CAConrads eigenen Worten, „den scheinbar unendlichen Raum zwischen Körper und Geist erforscht, indem sie fast jedes mögliche DING um oder am Körper verwendet, um den Körper mit bewusster und anhaltender Konzentration nach außen und/oder nach innen zum Geist zu lenken“. Dieses System ist ein poetisches Über-die-Ufer-Treten, eine Kontaktaufnahme von allem mit allem (insbesondere aber eine Anrufung der Toten und ausgestorbener Tierarten). „Poetry is the study of everything“, heißt es dann auch in einem der Gedichte, und in einem anderen: „I have loved loosened my wilderness.“ CAConrads Schreiben und Leben, das eine geht in das andere über, entzieht sich bewusst jedweder Kategorisierung von außen: „Telling someone who they are instead of asking is where extinction gets its start.“

In dem Gedicht „Selbstporträt als Regenbogenboy“ des nigerianischen Dichters Logan February (geboren 1999 in Anambra) heißt es: „Mein Farbspektrum wurzelt in der Störung, es reicht von geprellten Gelbtönen bis hin zu blutunterlaufenen Augen, vom vielen Weinen.“ February schreibt Gedichte, die im Dialog mit Sappho, Sylvia Plath, Miriam Makeba und Maggie Nelson entstehen. Es geht um mythische Geister, die zyklisch wiedergeboren werden oder um Àse, das Yorùbá-Konzept einer eng mit der Sprache verbundenen, metaphysischen Lebensenergie. Erzählt wird von der Steinigung eines homosexuellen Jungen und von jenem Anschlag auf einen Gay Night Club in Orlando, bei dem 49 Menschen ums Leben kamen. Es sind aber auch Gedichte über abwesende Väter („Dein Vater taucht nie auf, wenn du ihn brauchst. Auch darin ist er vollkommen, wie Gott.“) über schöne Jungen, „aus Raben gemacht“, über Verwandlungen, einsame Körper und den Tanz der Sorge in den Händen. Februarys Werk wurde beschrieben als „kühnes und eigensinniges Loblied auf Schwarze, queere Körper. Bissig und lebendig. Vielschichtige und konzeptuelle Poesie, mit konfessionellem Unterton und fatalistischen Absichten.“ (Dami Ajayi). Beim Festival liest February Gedichte aus „Mental Voodoo“ (Engeler Verlage 2024, deutsche Übersetzung: Christian Filips, unter Mitarbeit von Peter Dietze).

Harry Josephine Giles (geboren 1986 auf Orkney) ist eine schottische Performerin, Dichterin und Sängerin. Bereits ihre ersten beiden Gedichtbände, „Tonguit“ und „The Games“ (2015 bzw. 2018), waren für zahlreiche Preise nominiert. Der Durchbruch gelang ihr mit „Deep Wheel Orcadia“ (Picador Poetry 2021), einem queeren Science-Fiction-Versroman, verfasst im Orkney-Dialekt und ausgezeichnet mit dem Arthur C. Clarke Award für Science-Fiction. In der Begründung zur Auszeichnung heißt es, „Deep Wheel Orcadia“ sei die Art von Buch, die einen dazu bringe, neu über das nachzudenken, was Science-Fiction leisten könne, und die das Leseerlebnis auf eine aufregende Weise fremd erscheinen lasse, da die Sprache selbst zur Held:in des Buches avanciere. Giles setzt sich in ihren Gedichten immer wieder spielerisch mit Geschlechteridentitäten auseinander. Sie schreibt, Gender sei eine kleine purpurne Blume, die es nur auf den Orkney Inseln und im Norden Schottlands gebe und die zwei Blütezeiten kenne. Die neuen Gedichte von Giles werden bevölkert von mythischem Personal (Thanatos, Zagreus, Magaera etc.), das in polyamouröse Abenteuer verwickelt wird.

Lisa Jeschke (geboren 1985 in München) trat erstmalig in Erscheinung mit dem Band „Die Anthologie der Gedichte betrunkener Frauen“, der zunächst auf Englisch geschrieben („The Anthology of Poems by Drunk Women“, MATERIALS 2018) und dann in einer erweiterten Fassung von Lisa Jeschke selbst ins Deutsche übersetzt wurde (hochroth München 2019). Es sind Texte, die, am englischen Beispiel geschult, im emphatischen Sinne politisch sind. „Heimat Horror Gedichte“ finden sich darin, direkt aus dem „Germany Shredder“, mit einem Personal von Pegida-Lutz bis zum „verfickten Protein-Engel der Geschichte“, außerdem Überlegungen zum Herz-Herd-Komplex, in denen der Unterschied zwischen den Geschlechtern auf den ökonomischen Kern zurückgeführt wird. Der Kritiker Florian Kessler schrieb: „Jeschkes Gedichte sind bis in die wechselnden Schriftgrößen hinein Angriffe auf jegliche Systematik.“ An diesem Abend liest they Gedichte aus dem Chapbook „Left Freedom“ (Critical Documents 2024).

Moderation: Luca Mael Milsch

Die Veranstaltung wird englisch-deutsch gedolmetscht. Mit freundlicher Unterstützung von ECHOO Konferenzdolmetschen

Projektleitung: Jutta Büchter

Mit: CAConrad, Logan February, Harry Josephine Giles, Lisa Jeschke

 

Gefördert durch: 

British Council. Das poesiefestival berlin ist ein Projekt des Haus für Poesie in Kooperation mit dem silent green Kulturquartier und der Akademie der Künste und wird gefördert durch den Hauptstadtkulturfonds.

Location

silent green Gerichtstr. 35 13347 Berlin

Organizer

Haus für Poesie
Haus für Poesie Knaackstraße 97 10435 Berlin

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