Das sagt der/die Veranstalter:in:
Mazen Kerbaj präsentiert die Uraufführung seiner Komposition „From One War to Another“ für Trompete und Crackle Synth. Es folgen Konzerte der von Marco Blaauw initiierten Projekte Global Breath – mit Arbeiten von Milica Djordjević, Wadada Leo Smith, Liza Lim und Oscar Bianchi – sowie The Monochrome Project, letzteres mit Werken des amerikanischen Komponisten, Performers und Installationskünstlers Raven Chacon.
Mazen Kerbaj
With a Little Help From My Friends II: From One War to Another
Mitte der 1990er-Jahre studierte ich an der libanesischen Akademie der Schönen Künste Illustration und Grafikdesign und veröffentlichte nebenbei Comics in regionalen Magazinen. In dieser Zeit schenkte mir mein Freund, der Gitarrist Sharif Sehnaoui, eine Trompete, für die er keine Verwendung hatte. Obwohl ich keine Erfahrung mit dem Spielen eines Instruments hatte, entwickelte ich bald einen ausgesprochen persönlichen Zugang zur Trompete. Ich kreierte meine eigenen Techniken, erfand bisweilen neue Spielweisen und benutzte manchmal sogar Alltagsgegenstände, um das Instrument zu präparieren und umzugestalten, wodurch sich sowohl seine Form als auch sein Klang radikal veränderten.
Drei Jahrzehnte später, nach einer einjährigen Auszeit im Jahr 2024, lege ich die Trompete beiseite und setze mich mit zwei neuen Instrumenten auseinander, die beide von engen Freunden erfunden wurden: dem verstorbenen Musiker und Instrumentenbauer Michel Waisvisz und dem Klangkünstler Tarek Atoui. Meine Forschungen resultierten in zwei neuen Solowerken, „From One War to Another“ und „Lungless“. Obwohl sich die Kompositionen in ihrer Form radikal voneinander unterscheiden, versuche ich in beiden Werken, das Trauma der zahlreichen Kriege heraufzubeschwören, die ich von meiner Kindheit in Beirut bis zu meinen heutigen Tagen in Berlin durchlebt habe – zwei Städte, die einst von Teilung und Konflikten erschüttert wurden.
Während des Libanonkriegs im Jahr 2006 spielte ich auf meinem Balkon in Beirut Trompete, während israelische Militärflugzeuge unablässig die Stadt bombardierten. Auf meinem Blog veröffentlichte ich einen sechsminütigen Ausschnitt der fast zwölfstündigen Aufnahmen unter dem Titel „Starry Night“ und beschrieb ihn als Duo für Trompete und Bomben. Selbst in dieser Zeit vor Social Media wurde das Stück von Freund*innen und Bekannten über verschiedene Blogs, auf Websites und in Mailing-Lists verbreitet. Ich erhielt weitreichende Unterstützung, insbesondere von der internationalen Community für experimentelle Musik.
Eine der mich damals erreichenden E-Mails kam vom niederländischen Musiker Michel Waisvisz, der das STEIM-Institut für elektronische Musikforschung in Amsterdam leitete. Er lud mich dazu ein, mit meiner Familie aus dem Libanon zu fliehen und bis zum Ende des Krieges im STEIM zu bleiben. Ich entschied mich, in Beirut zu bleiben, aber die E-Mail markierte den Beginn einer engen und intensiven Freundschaft zwischen uns, die zwei Jahre lang bis zu Waisvisz’ Tod im Jahr 2008 andauerte.
Im Laufe dieser zwei Jahre machte mich Michel Waisvisz mit dem Crackle Synth bekannt, einem Instrument, das er in den 1970er-Jahren erfunden hatte. Es nimmt einen einzigartigen Platz in der Musikgeschichte ein. Es ist eines der ersten autarken, batteriebetriebenen elektronischen Instrumente mit integrierten Lautsprechern und eines der wenigen, das die Körperlichkeit der Interpret*innen zur Klangerzeugung nutzt. Dies geschieht mittels seines bahnbrechenden „Touch“-Boards, das mit den Fingern gesteuert und ausgelöst wird. Nach und nach wurde der Synthesizer zu meinem zweiten Instrument und ich verspürte zunehmend den Drang, ihn auf die gleiche Weise umzumodeln, wie ich das zuvor mit der Trompete getan hatte. Das Original zu modifizieren, von dem es weltweit nur zwölf Exemplare gibt, kam für mich aber nicht infrage. Stattdessen beschloss ich, ausgehend von Waisvisz’ Schaltplänen meine eigene angepasste Version zu bauen.
Die Arbeit an dem neuen Instrument begann im Jahr 2018 in Zusammenarbeit mit Sukandar Kartadinata und wurde erst 2024 abgeschlossen, mitten während Israels Krieg in Gaza – ein Ereignis, das schmerzhafte Erinnerungen an den Libanonkrieg 2006 wachrief. Im Jahr 2006 erlebte ich den Krieg aus der Perspektive des Opfers; jetzt aber, im Jahr 2024, befand ich mich in der schwierigen Position des weit entfernten Zeugen, der hilflos zusehen musste, wie sich täglich ein nicht enden wollendes Blutbad auf seinem Bildschirm entfaltete. Die Erinnerung an die direkte Erfahrung von Gewalt wurde ersetzt durch den Voyeurismus der Gewalt, die anderen angetan wird. Diese Verschiebung der eigenen Rolle im Angesicht des Grauens inspirierte mich zu der Komposition „From One War to Another“, in der ich akustische, elektroakustische und elektronische Klänge miteinander mische, um die zuletzt von mir verspürten vergangenen Ängste, gegenwärtige Wut und meine eindringliche Angst vor der Zukunft auszutreiben.
– Mazen Kerbaj
Mit
Mazen Kerbaj – Trompete, Crackle Synth
Global Breath 3 mit Ensemble Musikfabrik
Milica Djordjević: Neue Arbeit für Bassklarinette, Trompete und Perkussion
In den Jahren 2022 und 2023 arbeitete ich an „Nalet“, einem großen Ensemblewerk, das im Januar 2023 vom Ensemble Musikfabrik unter der Leitung von Ilan Volkov uraufgeführt wurde. Zur gleichen Zeit arbeitete ich an Solostücken für Carl Rosman, Marco Blaauw und Dirk Rothbrust, die einige Monate später beim Festival Acht Brücken Weltpremiere feierten. Einige ihrer persönlichen Lieblingstechniken erwiesen sich in Kombination als besonders wirkungsvoll – wie Carls und Marcos Split-Töne mit Dixis geschabten Kacheln oder Marcos Pedaltöne mit Carls tiefer Flatterzunge auf der Kontrabassklarinette und so weiter. Es war deshalb unvermeidlich, dass „Nalet“ diese drei Interpreten in ausgedehnten Triopassagen zeigen würde. Ebenso unausweichlich war es, dass Aspekte einiger dieser Passagen schließlich außerhalb des Gesamtwerks ein Zuhause finden würden, kombiniert mit anderem Material in einem neuen Trio.
– Milica Djordjević
Wadada Leo Smith: Neue Arbeit für vier Bassdrums
Weitere Informationen folgen in Kürze.
Marco Blaauw: Enigma
Im Mittelpunkt von „Enigma“ stehen die charakteristischen Klänge von sechs Muschelschalen. Ausgehend von der langen Tradition der Muschelschalen als Signalinstrumente und Zeremonialobjekte setzt sich die Komposition mit ihren natürlichen klanglichen Eigenschaften und Potenzialen auseinander. In diesem Rahmen werden erweiterte Spieltechniken der Trompete angewandt, um eine breite Palette von Klängen zu erzeugen – von tiefen, resonanten Tönen bis hin zu weichen, luftigen Klangfarben. Das Zusammenspiel der sechs Muschelschalen erzeugt eine dynamische Klanglandschaft, die zwischen Harmonie und Chaos changiert, wobei die Grenzen zwischen den einzelnen Stimmen verschwimmen. „Enigma“ fordert den Akt des Zuhörens heraus. Die Klänge sind wie Fragen, die darauf warten, erfahren zu werden – Fragen, die sich einer vollständigen Auflösung entziehen. Die Komposition versucht, die uralte Faszination für die einzigartige Klangfarbe des Instruments wieder aufleben zu lassen.
Liza Lim: Incandescent Tongue
Eating Fire
Eating fire
is your ambition:
to swallow the flame down
take it into your mouth
and shoot it forth, a shout or an incandescent
tongue, a word
exploding from you in gold, crimson,
unrolling in a brilliant scroll
To be lit up from within
vein by vein
To be the sun
– Margaret Atwood
Liza Lim: Microbiome
Der Parasit hört nicht auf. Er hört nicht auf zu essen oder zu trinken oder zu schreien oder zu rülpsen oder Tausende von Geräuschen zu machen oder den Raum mit seinem Gewimmel und Lärm zu füllen.
– Michel Serres, „Der Parasit“
Wir Menschen beherbergen eine Vielzahl von Mikroben in und auf unserem Körper – Bakterien, Viren, Pilze und andere Parasiten – und stehen in Abhängigkeit zu ihnen. Dem Darmmikrobiom etwa wird eine entscheidende Rolle bei der Regulierung der Immunität zugeschrieben, darüber hinaus fungiert es als eine Art „zweites Gehirn“, das sämtliche Bereiche von Emotionen bis hin zu Schlafzyklen beeinflusst. Sowohl nützliche als auch schädliche Mikroben koexistieren in einem dynamischen Fluss – und wir können erkennen, dass es sich bei dem, was wir für ein unabhängiges „Ich“ halten, um einen Holobiont (eine ökologische Assemblage) handelt, und dass das „Ich“ also eine artenreiche, vielstimmige Multitude ist.
Oscar Bianchi: Confessioni
Zwei verbündete Stimmen, eine Sopranistin und eine Trompete, treten in Erscheinung und erzählen von sich. Auf der Suche nach ihrer persönlichen Rolle (Bin ich ein Schatten? Bin ich dein Alter Ego?) schaffen die beiden Protagonist*innen einen besonderen Ausdrucksraum, indem sie hin und wieder mit einem Augenzwinkern auf die Emanzipation der Dupla in der Renaissance verweisen, die später zu spektakulären und mutigen polyphonen Entwicklungen führte. Ihr Bekenntnis bewegt sich zwischen existenziellen Fragen und Litaneien persönlicher Grübeleien, die als vermeintliche Reflexionen über ihren eigenen Charakter fungieren. Dabei entpuppen sie sich als Träger*innen brillanter emotionaler Aussagen und möglicher neuer Grenzen der Ausdruckskraft. Da Ideen sowie die Art und Weise, wie sie zum Ausdruck kommen, oft Teil eines großen Ganzen sind (was Oscar Bianchi als „die fließende Natur der Kreativität“ definiert), finden sich die beiden Klangquellen „entblößt“ (das heißt ohne Begleitung) wieder.
Mit
Ensemble Musikfabrik
Carl Rosman – Bassklarinette
Marco Blaauw – Trompete
Dirk Rothbrust – Perkussion
Katrīna Paula Felsberga – Sopran
Christine Chapman, Rike Huy, Bob Koertshuis, Nathan Plante, Markus Schwind, Laura Vukobratović – Muschelhorn
Raven Chacon mit The Monochrome Project 2
Raven Chacon: Whistle Quartet
„Whistle Quartet“ stellt dar, wie man ein Lied von einem*einer Ältesten oder Anführer*in lernt, wie man Teil einer Gruppe wird und auf welche Weise man selbst anführt, wenn der*die eigene Anführer*in nicht mehr da ist.
– Raven Chacon
Raven Chacon: Solo für Live-Elektronik
Weitere Informationen folgen in Kürze.
Raven Chacon: Call for the Company, in the Morning
Das Werk bezieht sich auf die Tradition der Jagdhornrufe und -signale bei der Fuchsjagd als Ausgangsmaterial, durch welches eine offene Drohnenlandschaft geschaffen wird. Zwischenspiele markieren dabei das Vergehen des Tages unter freiem Himmel. Die Komposition befasst sich mit dem Streben nach ökologischem Gleichgewicht, indem sie als Hilfsmittel bei der Jagd angewandte Musikinstrumente zum Einsatz bringt, wenngleich diese Jagd mittlerweile zum bloßen Sport verkommen ist und den Klang des Instruments so in ein Timbre der Angst verwandelt hat.
Mit
The Monochrome Project
Marco Blaauw, Christine Chapman, Mathilde Conley, Rike Huy, Bob Koertshuis, Nathan Plante, Markus Schwind, Laura Vukobratović – Trompete
Raven Chacon – Live-Elektronik
Programm
Mazen Kerbaj
With a Little Help From My Friends II: From One War to Another
für Trompete und Crackle Synth (2025)
Kompositionsauftrag von MaerzMusik
Uraufführung
Global Breath 3 mit Ensemble Musikfabrik
Milica Djordjević
Neue Arbeit für Bassklarinette, Trompete und Perkussion (2025)
Kompositionsauftrag von Marco Blaauw, gefördert durch den Musikfonds e.V. und die Kunststiftung NRW
Wadada Leo Smith
Neue Arbeit für vier Bassdrums (2025)
Marco Blaauw
Enigma
für sechs Muschelhörner (2024)
Liza Lim
Incandescent Tongue
für Sopran und Trompete (2020)
Liza Lim
Microbiome
für Bassklarinette solo (2020)
Oscar Bianchi
Confessioni
für Sopran und Trompete (2024)
Raven Chacon mit The Monochrome Project 2
Raven Chacon
Whistle Quartet
für Hundepfeifen (2001)
Raven Chacon
Solo für Live-Elektronik (fortlaufende Arbeit)
Raven Chacon
Call for the Company, in the Morning
für acht Trompeten (2022)
Kompositionsauftrag der BBC und hcmf//
Global Breath wird unterstützt durch die Ernst von Siemens Musikstiftung, Musikfonds Neustart Kultur und die Kunststiftung NRW.
The Monochrome Project wird unterstützt durch die Kunststiftung NRW und das Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen.
Preisinformation:
20.00 - 25.00€