Von verpassten Chancen. Der Klassiker aus einer neuen Perspektive erzählt.
Zaghaftes Klopfen an der Türe. Zwei Körper schmiegen sich dicht auf einer Holzbank aneinander. Das letzte Blatt der Margeritenblüte verspricht: Er liebt dich. Im Moment des scheinbar höchsten Glücks findet Giselle heraus, dass ihr Geliebter sie mit einem Doppelleben betrogen hat. Verletzt und in rauschhafter Wut über diese Lüge tanzt sie sich in den Tod. Doch das Band der Liebe soll stärker sein als irdische Grenzen. Gefolgt von anderen, ebenfalls ruhelosen Schatten, erscheint sie ihm als Wili, einem jener Wesen, die sich bei Heinrich Heine in fahlgrünem Mondlicht versammeln, um den Verrat ihrer Liebe zu rächen.
Scheinbar schwerelos schwebende Körper in weißen, bodenlangen Tutus haben das Bild des romantisch-fantastischen Balletts für Generationen geprägt, doch hat „Giselle“ neben der ikonographischen Ästhetik des „ballet blanc“ auch eine zentrale und zeitlose Botschaft: Ein kurzer Augenblick kann Ewigkeit sein im Angesicht verspielter Liebe, und die Geister dieses verpassten Glücks werden keine Ruhe finden.
Demis Volpi befragt mit dieser Neukreation einen Repertoireklassiker auf einen zeitgemäßen Umgang mit Traditionen und Geschlechterbildern im Ballett und gibt sich gleichzeitig der unendlichen Faszination für den Zauber der Bühne hin.