Vor dem Hintergrund weltweit aufkeimender Rechtsnationalismen fühlt sich die Gegenwart vielerorts als Zwischenzeit an, in der die letzten Tage bis zum Beginn eines kommenden Faschismus gezählt werden. Entgegen diesen politischen Entwicklungen, durch die Zukunftsentwürfe nur noch als Dystopien vorstellbar sind, kann sich die brasilianische Perspektive positionieren: Dem faschistischen System Jair Bolsonaros entkommen, wich die Wut über soziale Spannungen und wirtschaftliche Ungleichheiten, insbesondere der jungen Generation, die extrem unter dem Regime litten, seit 2022 einer neuen Welle der Hoffnung.
Die brasilianische Choreografin Alice Ripoll nimmt mit ZONA FRANCA (Deutsch: „Freihandelszone“) diese kollektiven Erfahrungen zur Grundlage, um über die Neuerfindung Brasiliens und seiner enterbten Generationen nachzudenken, für die sich die Zukunft wieder geöffnet hat. In Rio de Janeiro nutzen junge Menschen Tanzstile wie Passinho, Dancinha, Voguing, Samba und Hip-Hop als Ausdrucksformen für ihren Wunsch nach Freiheit und Autonomie. Alice Ripoll verbindet diese urbanen Tanzformen mit Contemporary Dance und initiiert einen außergewöhnlichen Prozess der choreografischen Verschmelzung. Zehn Tänzer*innen agieren mit bunten Ballons und bringen in einem zeitgenössischen Ritual zwischen Wut, Freude und Verletzlichkeit ihre Sehnsucht nach Selbstbestimmung und Freiheit zum Ausdruck.
Die in Rio de Janeiro geborene Alice Ripoll arbeitet als Choreografin und Bewegungsregisseurin an der Schnittstelle zwischen zeitgenössischem Tanz und urbanen Tanzstilen Brasiliens. In den Arbeiten ihrer mit Tänzer*innen aus den Favelas in Rio gegründeten Kompanien Cia. REC und Cia. SUAVE werden politische und soziale Phänomene Brasiliens kritisch reflektiert. Mit ZONA FRANCA formuliert sie beispielhaft einen neuen Optimismus, der zeigt, dass es sich lohnt, selbst dann weiterzukämpfen und zu hoffen, wenn alles schon verloren scheint.